Ist Hochzeitsfotografie Kunst?

 

Ist Hochzeitsfotografie Kunst?

Hochzeitsfotografen bewegt immer mal wieder die Frage, ob das eigentlich Kunst ist, was wir da machen. Also kann Hochzeitsfotografie Kunst sein?

Ich finde ja, zumindest zum Teil.

In erster Linie sind wir natürlich Dienstleister, die einfach für das Brautpar und seine Bedürfnisse die beste Leistung abliefern möchten. Und das bezieht sich nicht nur auf die Fotos, sondern auch auf den Service drum herum. Also ist Fotografie doch nur Handwerk? Schließen sich Handwerk und Kunst überhaupt aus?

 

Was ist Kunst?

Es gibt die Frage „Was ist Kunst?“ ja eigentlich schon immer. Und ich glaube, diese Frage wurde noch nie abschließend geklärt. Was Kunst ist, liegt nach meinem Dafürhalten im Auge des Betrachters. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.

„Ist das Kunst oder kann das weg?“ It depends. Die Reinigungskraft, die die Fettecke von Joseph Beuys entfernt hat, sah sie auf jeden Fall als Dreck an, der weg musste. Die Kunstwelt war entsetzt.

Hat Kunst etwas mit Kommerz zu tun? Häufig ja.

Ist Kunst deshalb Kunst, nur weil man etwas einen abgefahrenen Namen gibt? Manchmal ja.

„The Physical Impossibility of Death in the Mind of Someone Living“ Wie bitte? Ein in Formaldehyd eingelegter Hai von Damien Hirst. Hätte auch im Naturkundemuseum stehen können, stand aber einige Jahre im Metropolitan Museum of Art in New York. Und war eine Auftragsarbeit. Wurde für viele Millionen Dollar verkauft. Kunst oder nicht? Oder ist Kunst gar eine Frage des Preises?

Manchmal ist Kunst auch nicht das materielle Endprodukt, sondern der Entstehungeprozess oder der Kontext. Oder immer?

Wie man an der Fettecke oder dem Hai sieht, muss man als Künstler nichteinmal zwangsweise über besonderes handwerklich-künstlerisches Können verfügen. Wobei Beuys nur mit Fettecken sicherlich auch nicht als Professor sondern in der Klapse geendet wäre 😉

 

Echte Kunst nur als „freie Arbeit“?

Kann echte Kunst nur als freie Arbeit geschaffen werden? Natürlich nicht. Fast alle alten Meister, Maler, Musiker, Bildhauer, whatever, haben ihre Kunst im Auftrag angefertigt. So wie Damien Hirst den Hai. Und so wie viele gute Hochzeitsfotografen.

Und wie frei sind „freie“ Arbeiten wirklich? Ein Freizeitkünstler ist vielleicht wirklich frei in seiner Kunst. Er ist davon nicht abhängig und kann machen, wozu er Lust hat. Ok. Und ein „Berufs-Künstler“? Wie frei ist der wirklich? Macht der nur, was ihm in den Sinn kommt, oder richtet er sein Schaffen nicht auch danach aus, was sich vielleicht gut verkaufen lässt? Was von ihm erwartet wird? Ist das dann noch frei? Und was ist mit dem Freizeit-Künstler? Macht der vielleicht auch eher Sachen, die ihm besondere Anerkennung einbringen, wofür er Lob erhält? Macht er sich da vielleicht auch von äußeren Einflüssen abhängig? Für mich ist Freie Arbeit / Auftragsarbeit kein Kriterium für Kunst oder nicht.

Gewerbliche Fotografie ist zuerst einmal natürlich ein Handwerk. Jeder Fotograf ist aufgrund dieser gesetzlichen Festlegung zwangsweise Mitglied der Handwerkskammer und damit letztendlich Handwerker.

Die Definition von Kunst aber dem Gesetz zu überlassen, halte ich nicht für zielführend.

Denn auf der anderen Seite gibt es Fotografen, auch gewerbliche, die seit Jahrzehnten in den großen Kunstmuseen dieser Welt ausgestellt werden. Niemand bestreitet, dass es sich bei Ansel Adams, Henri Cartier-Bresson, Annie Leibovitz, Peter Lindbergh, Helmut Newton, Robert Lebeck oder Andreas Gursky um Künstler handelt.

 

Vergleich zwischen Architektur und Fotografie

In einer Diskussion wurde die Architektur als Analogie genannt. Ich finde diesen Vergleich passend.

Als Architekt bin ich zwar in erster Linie Akademiker und kein Handwerker, trotzdem hat der Beruf des Architekten viele handwerkliche Aspekte. Technische Zeichnungen anzufertigen oder Wandaufbauten zu planen ist in meinen Augen einfaches Handwerk eines Architekten. Trotzdem sind die meisten der Ansicht, dass es sich bei dem Jüdische Museum von Daniel Libeskind, dem Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe oder Bauten von Zaha Hadid, Frank Gehry oder Hundertwasser um Kunstwerke handelt.

Eine pauschale Einteilung Künstler oder nicht, gibt es meiner Meinung nach weder bei Fotografen noch bei Architekten. Beide Berufe bringen Aspekte von Handwerk und Kunst mit sich. Was ich übrigens sehr spannend finde!

Was beide Berufe gemeinsam haben, sind die äußeren Grenzen und Beschränkungen. Beim (Hochzeits-)Fotografen gibt der Auftraggeber vor, wann, wo und was zu fotografieren ist. Der Architekt ist an die Aufgabenstellung des Bauherren gebunden. Darüber hinaus muss er noch das Umfeld und Beschränkungen des Bauplatzes und natürlich Bebauungspläne und gesetzliche Vorgaben einhalten.

Aber gerade diese engen Grenzen schaffen Kreativität. Die Herausforderung, in diesen Grenzen etwas besonderes zu schaffen, ist die Motivation. Und hier unterscheiden sich dann die Künstler von den Nicht-Künstlern. Dem Künstler gelingt es, etwas herausragendes zu schaffen. Der Handwerker liefert 08/15 ab.

 

Künstler oder Könner

Und Künstler oder doch „nur“ Könner? Für mich liegt hier der Unterschied in der Kreativität. Der Maurer, oder auch der Automechaniker, der sein Handwerk versteht, ist ein Könner, aber kein Künstler. Er bringt seine fachlichen und handwerklichen Qualitäten ein, aber nicht seine Kreativität. Der Künstler ist der Architekt, der neue Formen schafft. Oder auch Malcom Sayer, aus dessen Feder der Entwurf des Jaguar E-Type stammt. Beide würden sich aber wahrscheinlich in ihrer Bescheidenheit als Ingenieur und nicht als Künstler bezeichnen.

Lasst 15 Fotografen eine Hochzeit fotografieren. Ihr werdet 15 unterschiedliche Ergebnisse erhalten.

Lasst 15 Architekten ein Gebäude planen. Ihr werdet 15 vollkommen unterschiedliche Ergebnisse bekommen. Wie gesagt, die gesetzten Grenzen fördern die Kreativität. Zumindest bei Künstlern, weniger wohl bei Handwerkern.

Ich glaube, das Handwerk zwar auch Kreativität beinhalten kann, in der Regel aber doch eher gleichartige Ergebnisse produziert. Nicht ohne Grund war die Arbeit von Hochzeitsfotografen bis vor ca. 10 Jahren ja doch eher austauschbar. Klar haben sich die Fotos in ihrer handwerklichen Qualität (Posing, Lichtsetzung etc.) unterschieden, aber irgendwie waren sie doch alle gleich, oder?

 

Moderne Hochzeitsfotografie

Ich denke, dass ist in der modernen Hochzeitsfotografie inzwischen anders. Vielen gelingt der Schwenk in Richtung Kunst. Sei es modern oder klassisch. Fotografen wie Jerry Ghionis oder Cliff Mautner schaffen Bilder, die wie Gemälde aussehen. Viele Fotografen lassen sich von der Malerei inspirieren, studieren die alten Meister. Rembrandt-Lighting usw. Das geht nach meinem Empfinden deutlich in Richtung Kunst und hat nur noch wenig mit dem Handwerk aus Blende, ISO und Belichtungszeit zu tun.

Der Fotograf ist sogar noch eher Künstler als der Architekt, weil er wirklich freie Arbeiten nur für sich machen kann. Das bleibt dem Architekten verwehrt. Dabei hindern hauptsächlich Kosten und Gesetze den Architekten.

Und Kunsthandwerk? Ich weiß nicht. Ich muss bei Kunsthandwerk irgendwie immer an Weihnachtsmärkte denken…
Sicherlich ist ein Goldschmied auch Kunsthandwerker. Wenn er kreativ ist, nennt er sich Schmuckdesigner, aber wohl nur in seltenen Fällen Künstler.

Architekten sind Künstler. Sie fühlen sich berufen. Als ich angefangen habe, Architektur zu studieren, 1997, haben mit mir zusammen ca. 180 andere Architekturstudenten begonnen. Zeitgleich haben ebenfalls ca. 180 Studenten im Bauingenierwesen angefangen. Als ich mein Studium 2004 beendet habe, haben nur noch ca. 15 Bauingenieure neu begonnen, weil die Baubranche und die Berufsaussichten in den letzten 10 Jahren stetig auf dem absteigenden Ast waren. Pragmatiker! Im gleichen Jahr haben aber immer noch ca. 160 Architekturstudenten neu angefangen. Berufene Künstler!

Ich glaube, Fotografen tendieren hier auch eher in Richtung Künstler. Die vielen Seiteneinsteiger entscheiden sich, glaube ich, in erster Linie dafür, ein Gewerbe anzumelden, weil sie Spaß an der Sache haben, weil sie hier ihre Kreativitär ausleben können, was ihnen als Buchhalter verwehrt bleibt. Sicherlich auch, weil sie hoffen damit einen Euro zusätzlich zu verdienen. Aber nur für das Geld würden sicherlich die meistern nicht ihre Wochenenden und Abende opfern. Nur für die Kunst freilich auch nicht 😉

 

Seiteneinsteiger in der Hochzeitsfotografie

In der Hochzeitsfotografie gibt es unheimlich viele Seiteneinsteiger. Ich gehöre ja auch dazu. Und ich glaube, dass die vielen Seiteneinsteiger mit ihrem Engagement, ihrer Leidenschaft und ihrem Herzblut, aber auch mit ihren technischen Fähigkeiten so manchen ausgebildeten, alt eingesessenen, etablierten aber „rückständigen“ Berufsfotografen zur Verzweifelung gebracht haben.

Muss Kunst einen tieferen Sinn haben? Muss Kunst sich mit irgendetwas auseinandersetzen? Ich finde nein. Haben Gemälde von Mark Rothko einen sozialkritischen Hintergrund? Sicher gibt es Spezialisten, die da etwas herauslesen oder hineininterpretieren können. Mache ich nicht. Für mich steht trotzdem außer Frage, dass es sich hier um Kunst handelt.

Ist Kunst nur dann Kunst, wenn man studiert haben muss, um zu verstehen, was sie ausdrücken will? Ist Kunst ohne tiefschürfende Gedanken keine Kunst? Ist Kunst nur dann Kunst, wenn sie unter großer Anstrengung, vielleicht sogar unter Qualen erschaffen wurde? Ist Kunst eine elitäre Veranstaltung, zu der nur Auserwählte Zugang haben? Muss Kunst Anspruch haben? Oder kann Kunst nicht auch etwas Kleines, Leichtes, Schnelles, Schönes sein, was uns erfreut und dann vielleicht auch gleich wieder weg ist?

Sind Gemälde von Mark Rothko deshalb Kunst, weil sie schön bunt sind und ich sie mir, falls meine Wand groß genug wäre, daran aufhängen würde? Muss Kunst gefallen? Ich finde: nein. Irgendwelchen flimmernden Monitoren als Videoinstallation kann ich nichts abgewinnen, erkenne aber an, dass es sich dabei um Kunst handelt.

 

Wie sieht Kunst in der Hochzeitsfotografie aus?

Wie kann Hochzeitsfotografie Kunst sein? Das ist natürlich die Frage. Darauf gibt es für mich Antworten in zwei Richtungen:

  1. Das einzelne Bild betreffend. Es gibt einfach tolle Bilder, „Epic Shots “ genannt, die sehe ich als eigenständiges Kunstwerk an. Pose, Belichtung, Location: alles passt hier zusammen.
  2. Eine große Kunst ist es aber auch, das Storytelling  so zu vollenden, dass die Geschichte einer Hochzeit so erzählt wird, dass nicht nur diejenigen, die dabei gewesen sind, den Tag nachempfinden können, sondern auch unbeteiligte Personen. Dies ist für mich die spezielle Kunst der Hochzeitsfotografie.

Hochzeitsfotografen, die beides in für mich vollendeter Perfection beherrschen, sind zum Beispiel die TWO MANN STUDIOS  aus Kanada.

Für mich ist Hochzeitsfotografie Kunst. Mir ist es nicht erklärlich, weshalb Portraits von „anerkannten“ Künstlern, seien es Maler oder auch bekannte Fotografen, Kunst sein sollen, in Museen hängen und allgemein bewundert werden und ähnliche Portraits eines Hochzeitsfotografen nicht. Das ist für mich nicht logisch. Villeicht liegt es in der allgemeinen Wahrnehmung daran, dass die Hochzeitsportraits von vorne herein nur für einen kleinen Kreis, das Brautpaar und seine Gäste, angefertigt werden und andere Portraits von vorne herein für den breiten Markt erstellt werden?

 

Einzigartigkeit der Kunst

Ist Kunst also alles, was irgendwie anders ist? Hmm, vielleicht. Aber ist der Realismus deshalb keine Kunst? Natürlich nicht!

Hat Kunst etwas mit Einzigartigkeit zu tun? Kann etwas, was 1.000-fach produziert wird, noch Kunst sein? Warum wird ein Kunstdruck limitiert? Kann etwas Kunst sein, bevor es 1.000-fach gedruckt wird? Ist es danach keine Kunst mehr? Vielleicht ist dies ein brauchbarer Ansatz. Danach können Hochzeitsfotografen Künstler sein; was sie erschaffen, ist in der Regel einzigartig und wird nicht reproduziert.

Ist ein Hochzeitsfotograf also Künstler oder Handwerker? Ich glaube, er ist beides. Zu unterschiedlichen Anteilen, je nach Fotograf. Hochzeitsfotografie wie vor 20 Jahren war reines Handwerk, zumindest was ich so kenne. Heute ist das anders. Die Two Mann Studios und viele andere, auch hier vertretene Hochzeitsfotografen, schaffen Kunstwerke. Ich würde mir einige davon auch selber an die Wand hängen.

Es ist also wie immer: es gibt solche und solche.

Puh. Naja. Ich hab das jetzt mal so zusammen geschrieben. Der Weisheit letzter Schluss ist das mit Sicherheit auch nicht. Mehr Fragen als Antworten.

„Kunst“ liegt halt im Auge des Betrachters.

Euer Christian
Hochzeitsfotograf

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